Man soll eine Sache nicht voreilig loben, denn sie könnte noch misslingen; man soll sich nicht zu früh freuen, denn ein Projekt kann noch auf den letzten Metern scheitern; man sollte sich seines Erfolgs nicht zu sicher sein, denn es kann immer noch etwas dazwischenkommen; von anfänglichem Glück soll man sich nicht in Sicherheit wiegen lassen.
In dieser exakten Formulierung tritt das Sprichwort zum ersten Mal im Drama »Wallensteins Tod« von Friedrich Schiller (1759–1805) auf.
Varianten dieses Sprichworts sind in europäischen Sprachen bereits seit dem Mittelalter überliefert. Der vermutlich älteste Beleg findet sich in der Edda, einer Sammlung von nordischen Götter- und Heldenliedern aus dem 13. Jahrhundert. Der eigentliche Text dürfte dabei schon aus dem 10. oder 11. Jahrhundert stammen.
Der Gedanke als solcher, man solle nichts zu früh loben, taucht zur selben Zeit an unterschiedlichen Stellen auf. Weitere Belege finden sich in einem lateinischen Text aus dem Mittelalter oder in der französischen Literatur.
Auch der Zeisig in der gleichnamigen Fabel von Friedrich von Hagedorn (1708–1754) erkennt, nachdem ein Sturm sein Nest zerstört hat: »Man muß den schönsten Tag nicht vor dem Abend loben.« Die heute geläufige feste Form des Sprichworts geht auf Friedrich Schiller (1759–1805) zurück. Es ist der Obrist Gordon, der Wallenstein im 5. Akt, 4. Auftritt warnt: »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.«
Eine charmante Abwandlung des Sprichworts findet sich bei Wander:
Erst am Abend muss man den Tag loben, und den Buben, wenn er einen Bart hat. (25)
Die feste Wendung wird mitunter aufgelöst und erscheint als Redensart. Es heißt dann zum Beispiel: »Auch wenn man den Tag nicht vor dem Abend loben soll, gratuliere ich uns zu dem neuen Mitarbeiter.«
Quellen und weiterführende Literatur:
»Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben, aber die Wirtschaft wird sich im dritten und vierten Quartal erholen«, erklärte de Guindos vor dem Wirtschaftsausschuss des Parlaments.
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben und Kandidaturen nicht vor dem Wahlergebnis.
Man soll ja nicht den Tag vor dem Abend loben, aber es hatte fast den Anschein, als wäre die Phase der coolen Abkassierer wie Matthäus und Effenberg vorbei.
Ich will den Tag nicht vor dem Abend loben, aber ich habe den Eindruck, dass eine politische Lösung nicht nur bald möglich, sondern von allen beteiligten Parteien gewünscht ist.
Ich will nun gewiss nicht den Tag vor dem Abend loben und bin mir bewusst, dass ich nicht mehr zum Ersatzheer, sondern zur aktiven Feldtruppe gehöre und dass mich hier Pflichten erwarten können, die aber auch das letzte von einem verlangen.