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Jemandem reinen Wein einschenken

Jemandem die volle Wahrheit sagen; jemandem uneingeschränkt die Wahrheit sagen.

Herkunft

Die Redewendung hat ihren Ursprung im Mittelalter. Die Verfälschung von Wein oder anderen Lebensmitteln wurde bereits damals rigoros bestraft.

Erläuterungen

Die Redewendung stammt aus dem Mittelalter. Schon damals wurde Wein hin und wieder mit minderwertigen Flüssigkeiten gestreckt. Das waren zum Beispiel Wasser oder Zuckerwasser. Mit diesen unzulässigen Zutaten konnten die Wirte ihre Gewinne erhöhen.

Wer jedoch beim sogenannten Panschen erwischt wurde, dem drohten schwere Strafen. Im juristischen Sinne handelt es sich nämlich um das Verfälschen von Lebensmitteln.

Wurde dem Gast jedoch reiner (oder klarer) Wein eingeschenkt, dann hatte er es mit einem ehrlichen Wirt zu tun. Das verkaufte Getränk entsprach den Angaben, der Wirt sagte also die Wahrheit. Entsprechend wird die Wendung gern in der politischen Rhetorik verwendet.

Im 16. Jahrhundert war zudem die Redensart »lauteren Wein einschenken« gebräuchlich. Gelegentlich wurde auch »rein Bier« eingeschenkt (Heinrich Julius von Braunschweig: Susanna II, I; 1593).

Quellen und weiterführende Literatur:

  • Röhrich, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Freiburg u. a.: Herder 2003.

Beispiele und Zitate

  • Den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern muss endlich reiner Wein eingeschenkt werden.

    Die Zeit, 18.06.2015, Nr. 25
  • Die Politik muss das Wagnis eingehen, der Bevölkerung von Anfang an reinen Wein einzuschenken.

    Die Zeit, 07.04.2014, Nr. 15
  • Merkel müsse den Deutschen vor der Wahl reinen Wein einschenken, verlangt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im »Kölner Stadt-Anzeiger«.

    Die Zeit, 21.08.2013 (online)
  • »Vielleicht hätte ich euch von Anfang an reinen Wein einschenken sollen, tut mir leid…« sagt Ewald.

    Noll, Ingrid: Ladylike, Zürich: Diogenes 2006, S. 237
  • So gesehen hat die Kanzlerin am Mittwoch im Bundestag die Chance verpasst, den Menschen, Deutschen wie Griechen, reinen Wein einzuschenken.

  • Doch nur wenige Wähler glauben, dass man ihnen reinen Wein einschenkt.

    Der Tagesspiegel, 05.06.2001
  • Weder israelische noch palästinensische Politiker haben ihren Bürgern je reinen Wein eingeschenkt und sie auf schmerzhafte Kompromisse vorbereitet.

    Berliner Zeitung, 28.12.2000
  • Womöglich haben auch die beteiligten Politiker, Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann und der deutsche Botschafter in Madrid, Guido Brunner, den Spaniern keinen reinen Wein eingeschenkt.

    Die Zeit, 14.09.1990, Nr. 38
  • 22. Juli 1918 — Hindenburg hat dem Kaiser reinen Wein eingeschenkt.

    Die Zeit, 08.07.1948, Nr. 28
  • Was hast Du mir gethan was mich zur Falschheit bewegen könnte, alles was ich an Dir verstehe das beglückt mich; Du kannst weder Aug noch Geist beleidigen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedingung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus dem tiefsten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen Wein einschenken in dem Dein Bild sich spiegelt.

    Bettina von Arnim: Tagebuch. Berlin, 1835.

Übersetzung in andere Sprachen

  • tell somebody the truth
    Englisch

Varianten

  • Jemandem reinen Wein einschenken
  • Jemandem klaren Wein einschenken (selten)
Letzte Aktualisierung dieser Seite am 27. April 2021.